Trump: Nur 100 Tage im Amt und schon ein Fall für Den Haag!

Am 30. April 2017 kann Donald Trump auf die ersten 100 Tage seiner Amtszeit zurückblicken. Dabei gelang es dem bei Amtsantritt ältesten US-Präsidenten rasch, sich für den Internationalen Strafgerichtshof zu empfehlen. Eine kleine Einordnung jüngster Ereignisse.

 

Anfang des Jahres, genauer gesagt am Freitag, den 20. Januar 2017 war es so weit. Überraschungssieger Donald Trump wurde als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Seitdem sitzt der Milliardär, laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes belegt er mittlerweile nur noch Platz 544 in der Liste der weltweit vermögendsten Menschen, im Weißen Haus und regiert im Kreise seiner steinreichen Klassenkameraden – alleine die Gruppe seiner Minister bringt es angeblich auf ein rekordverdächtiges Vermögen von 4,5 Milliarden US-Dollar – vor sich hin. Hauptsächlich mit Dekreten.

 

Jetzt könnte man dem Stammeshäuptling der Hunkpapa-Lakota-Sioux, Tatanka Iyotanka, besser bekannt als »Sitting Bull«, zustimmen, als er sagte:

 

»Sie haben viele Gesetze gemacht und die Reichen dürfen sie brechen, die Armen aber nicht«, oder es mit dem irischen Literaturnobelpreisträger George Bernhard Shaw versuchen, als dieser meinte, dass es für Leute mit Geld keine juristischen Schwierigkeiten gibt.

 

Noch sicherer ist man vor dem langen Arm der Justiz aber als ein, etwa vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gefeiter Präsident des US-Imperiums. Als solcher hat man am ehesten vielleicht noch die Tiefen des eigenen Staatsapparates zu fürchten, aber nicht doch das Recht, denn dieses geht nach dem niederländischen Philosophen Baruch de Spinoza mit der Macht einher. Oder kann sich jemand ernsthaft einen auf der Anklagebank in Den Haag sitzenden Donald Trump vorstellen?

 

Wohl kaum. Zudem lehnen die USA den IStGH ab. Sie torpedieren diesen sogar regelrecht. Mit dem »American Service-Members‘ Protection Act« (ASPA), einem Schutzgesetz für amerikanische Dienstangehörige, behalten sich die USA nicht nur das Recht vor, die US-Regierung, US-Militärs und weitere offizielle US-Vertreter vor einer Auslieferung an den IStGH zu schützen, es ermächtige den Präsidenten der USA auch, alle erforderlichen Mittel, einschließlich einer militärischen Invasion, anzuwenden, um in Den Haag angeklagte US-Bürger zu befreien. Das Gesetz, auch als Den-Haag-Invasionsgesetz bekannt, wurde übrigens im August 2002 von George W. Bush in Kraft gesetzt. Wie um alles in der Welt sollte also ein Trump dort zur Rechenschaft gezogen werden, wenn er doch einen Weltkrieg zur Befreiung seiner selbst anzetteln könnte?

 

Gar nicht. Außer, und das ist höchst unwahrscheinlich bis ziemlich unmöglich, Trump wird Afrikaner. Bis heute, und ich wage zu behaupten gewiss noch für eine ganze Weile, musste kein westlicher Präsident einen Gang wegen Verbrechen gegen das Völkerstrafrecht nach Den Haag befürchten. Kein George W. Bush, kein Anthony »Tony« Blair und auch sonst kein Gehilfe zur Durchführung von Kriegsverbrechen. Vorausgesetzt, dass man einen auf Lügen basierenden und gegen das Völkerrecht verstoßenden Angriffskrieg, wie jenen gegen den Irak mit über einer Million Toten und täglichem Terror, als ein Kriegsverbrechen bezeichnet. Diesen Umstand kann man gar nicht oft genug wiederholen, da gewisse Ereignisse und Zusammenhänge sehr rasch in Vergessenheit geraten und medial verdrängt werden.

 

Es würde sich beim IStGH um eine einseitige Verfolgung von Verbrechen nach Rassekriterien handeln, warf die Afrikanische Union (AU) dem IStGH im Jahr 2013 vor, da der Strafgerichtshof bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich Verfahren gegen Afrikaner eröffnete. Im Jahr 2016 gaben Südafrika und Burundi ihren Austritt aus dem IStGH bekannt und auch Russland verabschiedete sich im gleichen Jahr vom Internationalen Strafgerichtshof. Die AU erwog sogar eine kollektive Abkehr von Den Haag.

 

Von eben dieser westlichen Gewissheit, niemals in Den Haag zu landen, die etwa einem Baschar al-Assad fehlt – er müsste wohl eher mit einem engen Erdloch oder einer Betonröhre eines trockengelegten Kanals auf der Flucht vor einem Zugriff rechnen –, kann Trump Gebrauch machen. Und damit die Gerechtigkeit, das Recht des Schwächeren, dem Recht des Stärkeren auch unter dem neuen US-Regenten nicht in die Quere kommt, bedient sich seine Regierung, wie die seiner Vorgänger, beim Ermorden von Zivilisten so schönredender und von der Öffentlichkeit übernommener Bezeichnungen wie den Kollateralschaden. Wie Trump eiligst zu belegen vermochte.

 

Nur neun Tage nach seinem Amtsantritt, am 29. Januar 2017, kam es schon zu so einem Kollateralschaden. Genauer gesagt zu Kollateralschäden. Denn mehrere Frauen und Kinder wurden an diesem Tag im Bergdorf Jakla in der Provinz Baida im Jemen von US-Spezialeinheiten bei einer geheimen Militäroperation erschossen.

 

Trump, der schon Ende 2015 ankündigte, dass man von »Terroristen« auch die »Familien ausschalten« müsse, bedauerte, dass durch den Einsatz ein US-Soldat umkam und weitere verletzt wurden, ohne ein Wort über die getöteten Zivilisten zu verlieren. Auch das US-Militär und der US-amerikanische Fernsehsender CNN verschwiegen den Tod von Frauen und Kindern bei dem Überfall auf das weitgehend zerstörte Bergdorf.

 

Rasch auftauchende Berichte aus dem Jemen gaben allerdings 30 Tote, darunter zehn Frauen und Kinder an. Das US-Militär sprach später von 14 Militanten und »einigen« getöteten Zivilisten. Mit der Aktion, die sich gegen mutmaßliche Qaida-Kämpfer richtete, im Jemen herrscht Krieg und der Angriff wurde erwidert, sollten angeblich Daten von einem Computer erbeutet werden. Laut Behörden vor Ort wurden durch den Überfall mit Hubschraubern und Drohnen mehrere Häuser, eine Schule, eine Moschee und eine medizinische Einrichtung zerstört.

 

Unter den Opfern war die acht Jahre alte Nawar, »Nora«, al-Awlaki, die Schwester des unter Barack Obama getöteten 16-jährigen Abdulrahman al-Awlaki – auch damals kam es zu Kollateralschäden, unter anderem einem weiteren Minderjährigen. Beide waren die Kinder des Predigers Anwar al-Awlaki, einem islamistischen Imam, der mit drei weiteren Personen außergerichtlich durch einen US-Angriff im Jemen hingerichtet wurde, ohne, dass ihm offiziell etwas Strafbares von der US-Regierung vorgeworfen, geschweige denn nachgewiesen werden konnte. Anwar al-Awlaki und seine beiden Kinder hatten die US-Staatsbürgerschaft.

 

Dessen Vater, der Großvater der Kinder, Nasser al-Awlaki, ein ehemaliger Agrarminister Jemens, der in den USA studierte, sprach sogar von 59 Toten durch den Angriff, der zur Auslöschung seiner Familie beitrug und an Blutrache erinnert. Nach seinen Angaben wurde Nora von einer Kugel in den Nacken getroffen. Zwei Stunden später ist das achtjährige Mädchen mit den braunen Augen dann verblutet. Auch der Schwager seines Sohnes Anwar wurde bei dem Angriff getötet, die Mutter seines Enkelkindes hätte aber leicht verletzt überlebt. Die Navy-Seals seien auch in ein weiteres Haus eingedrungen und hätten dort alle, darunter auch eine zu Qaida gehörende Lehrerin, erschossen. Die Attacke ging von einer US-Basis in Dschibuti aus.

 

Die US-Regierungen legitimieren ihre außergerichtlichen Hinrichtungen in fremden Ländern damit, dass man sich in einem »Krieg gegen den Terror« befinden würde. Unschuldige Opfer seien dabei in Kauf zu nehmen. Kritiker halten dem entgegen, dass das willkürliche Töten von Zivilisten selber nichts anderes als Terrorismus sei. Die Juristin und Völkerrechtsexpertin Mary Ellen O’Connell bezeichnete die US-Drohnenangriffe etwa als eine »klare Verletzung des Völkerrechts«.

 

Aber nicht nur mit diesem Ersten, wenige Tage nach seinem Amtsantritt befohlenem und medial etwas untergegangenem Einsatz im Jemen drängt sich Trump, wenn auch nur theoretisch, dem Internationalen Strafgerichtshofs auf.

 

Nach einem mutmaßlichen Giftgaseinsatz vom 04. April 2017 im syrischen Chan Schaichun befahl Trump einen weiteren Angriff. Diesmal ganz offiziell und mit Raketen auf Syrien. Ziel: die Luftwaffenbasis Al-Schairat der syrischen Armee. Bei dem US-Beschuss kamen nach Angaben der syrischen Regierung mindestens drei syrische Soldaten und zwei Zivilsten ums Leben. Mehrere Menschen sollen dabei Verbrennungen erlitten haben. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur berichtete von neun toten Zivilisten, darunter vier Kinder, in der Gegend rund um den angegriffenen Luftwaffenstützpunkt. Als Begründung gab Trump an, dass die syrische Luftwaffe für den Giftgaseinsatz in Chan Schaichun verantwortlich sei. Es würde sich bei dem US-Angriff um einen Akt zur Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen handeln, so Trump, der mit dem Befehl eine weitere militärische Eskalation in Kauf nahm.

 

Nun ist allerdings völlig unklar, wer den besagten Giftgaseinsatz mit Dutzenden Toten zu verantworten hat, wie unter anderem der deutsche Islamwissenschaftler und Publizist Michael Lüders behauptet. Auch Theodore Postol, ein emeritierter Professor für Wissenschaft, Technologie und Nationale Sicherheitspolitik am Massachusetts Institute of Technology (MIT), bestätigt diese Einschätzung nach Auswertung eines Geheimdienstreports des Weißen Haus vom 11. April 2017 über den Giftgasangriff in Chan Schaichun, was Trump und die kriegslüsterne Meute, die ihn dafür lobte, aber wenig störte.

 

Auch die russische sowie die syrische Regierung widersprachen der Behauptung der US-Regierung und des türkischen Justizministers Bekir Bozdag, für den Vorfall verantwortlich zu sein.

 

Das russische Verteidigungsministerium bestätigte einen Angriff an diesem Tag auf »ein großes Waffendepot von Terroristen« in Chan Schaichun geflogen zu haben, in dem chemische Kampfstoffe produziert würden. Und wegen der unklaren Sachlage warnte etwa auch die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) vor voreiligen Schlüssen. Zu spät.

 

Trump hat sich mit dem Vorfall in der westlichen Presse zwar beliebt gemacht, nichtsdestotrotz befahl er während des »wunderschönsten Schoko-Desserts« mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, wie er sagte, einen Verstoß gegen das Völkerrecht, da keine Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat für den Angriff vorlag. Stefan Talmon, Professor für Völkerrecht an der Universität Bonn, meinte dazu gegenüber der Deutschen-Presse-Agentur (dpa): »Hier haben die USA mehr oder weniger als Ankläger, Richter und Vollstrecker gehandelt, was völkerrechtlich natürlich nicht in Ordnung ist.«

 

Da man Trump wegen diverser Verstöße gegen das Völkerrecht genauso wenig wie seine Vorgänger nach Den Haag bekommen wird, könnte man ihn womöglich doch wegen seiner Haltung zum Klimawandel, die der emeritierte Linguistik-Professor und politische Intellektuelle Noam Chomsky für die gefährlichste Agenda des Milliardärs hält, belangen. Oder vielleicht wird er ja wegen gebrochener Wahlaussagen verklagt, um die nächsten 100 Tage seiner Regentschaft zu verhindern. Nur welches Gericht wäre dafür zuständig und wer sollte ihn dahin befördern, ohne dafür auf einer »kill list« des US-Präsidenten zu landen? Wie schrieb doch der antike griechische Philosoph Demokrit von Abdera: »Ein Mann, der stets der Macht des Geldes unterliegt, kann niemals gerecht sein.«

 

 

Mein Beitrag erschien bei Hintergrund.

 

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