Bild, RT und Propaganda

Der Blog netzpolitik veröffentlicht im Frühjahr 2015 Ausschnitte aus internen Unterlagen des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Es geht um Pläne des Inlandgeheimdienst, das Internet massenhaft zu überwachen und auszuwerten. Im Mai wird ein Ermittlungsverfahren gegen Markus Beckedahl, den Betreiber von netzpolitik, Andre Meister, den Autor der veröffentlichten Artikel, sowie gegen Unbekannt eingeleitet. Ein Interviewversuch.

 

Generalbundesanwalt Harald Range ordnet dabei an, »dass mit Blick auf das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit keine Maßnahmen gegen die in den Strafanzeigen des BfV namentlich genannten Journalisten ergriffen werden«. Beckedahl und Meister stellen den Brief über das Ermittlungsverfahren gegen sie online. Damit wird der Fall öffentlich bekannt, löst Aufregung aus und bestimmt die Schlagzeilen der Presse. Entgegen der offiziellen Darstellung des Bundeskanzleramts, wusste auch das Bundesministerium des Inneren frühzeitig vom Ermittlungsverfahren gegen netzpolitik.

 

Am 10. August 2015 wird das Verfahren wegen Verdachts auf Weitergabe von Staatsgeheimnissen vom Generalbundesanwalt eingestellt. Die New York Times berichtet, dass der Blog nach der Berichterstattung über die Ermittlungen innerhalb von zehn Tagen 150.000 Euro an Spenden eingenommen hat.

 

Ende Juli 2015 schreibt netzpolitik auf twitter: »Gerade russisches Fernsehen rausgeschmissen, die ungefragt im Büro standen mit Verweis auf Pressefreiheit in Russland.« Am 17. November 2014 schrieb Markus Beckedahl auf netzpolitik »Warum wir keine Interviews für Russia Today (RT Deutsch) geben« und wirft dem Sender Propaganda vor. Der Bild gab er Anfang August 2015 ein Interview. Bild oder RT? Markus Beckedahl hat sich klar für die Bild und das Feindbild Russland entschieden – Schade! Grund genug, um am 23. August 2015 sowie am 26. August 2015 wegen einem Interview per E-Mail – die Themen im Anhang – und der Bitte um Stellungnahme bis 28. August 2015 anzufragen:

 

Flo Osrainik: Herr Beckedahl, am 17. November 2014 haben Sie in einem Beitrag mit dem »Warum wir keine Interviews für RT geben« auf netzpolitik geschrieben, dass Sie »Propaganda-Sendern« nicht für Interviews zur Verfügung stehen. Bei RT handelt es sich um einen von Moskau finanzierten Sender. Die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland werden auch staatlich finanziert. Die Behauptung der Propaganda lässt sich aber genauso gut gegen jeden privat finanzierten Medienkonzern erheben. Betrifft Propaganda für Sie nur die anderen und wie begründen Sie den Vorwurf der Propaganda?

 

Markus Beckedahl:

 

Flo Osrainik: Sie lehnen RT als Interviewpartner und Quelle grundsätzlich ab, ohne sich mit Inhalten zu befassen. Anstatt konsequent zu sein und keinem großen Medium Interviews zu geben, geben Sie der Bild-Zeitung, die Hetze gegen sozial Schwächere und andere Völker betreibt, ein am 4. August 2015 veröffentlichtes Interview. In den `60er Jahren wurde Springer unter dem Motto »Bild lügt« blockiert. Daran hat sich nichts geändert. Albrecht Müller von den NachDenkSeiten hält RT für glaubwürdiger als Bild. Vorausgesetzt man würde RT auf eine Stufe mit der Bild setzen, messen Sie mit zweierlei Maß oder warum die Bild-Zeitung?

 

Markus Beckedahl:

 

Flo Osrainik: Sie begründen ihre Entscheidung mit »gesundem Menschenverstand« und »Quellenrecherche«. Der Hinweis auf den Verstand sagt nicht viel aus, denn mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass Sie reanimierte Propaganda gegen Russland betreiben. Dann nennen Sie ein Interview mit Bernhard Pörksen und der Begründung: »Dahinter steckt ja der Kreml«. Daraus macht RT im Gegensatz zu vielen anderen kein Geheimnis, alle großen Medien haben Geldgeber mit Interessen. Hinter dem Deutschlandfunk steckt der deutsche Staat. Wieso sollte die Bundesrepublik, als NATO-Mitglied und ein von den USA überwachtes und besetztes Land, mit seinen Staatsmedien nicht auch globalen NATO- und US-Interessen dienen? Haben Sie aus dem NSA-Skandal nichts gelernt?

 

Markus Beckedahl:

 

FO: Die Quelle Deutschlandfunk verteidigen Sie mit der Begründung: »Wir reden in der Regel beim Deutschlandfunk nicht mit den Intendanten, sondern mit Redakteuren, von denen wir eine Menge persönlich kennen. Die arbeiten journalistisch und nicht als Propagandandisten.« Im Telepolis-Artikel »Ukraine-Konflikt: ARD-Programmbeirat bestätigt Publikumskritik« wird eine antirussische Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen bestätigt. Weiter steht dort: »Wichtige Entscheider wie der Intendant Tom Buhrow und der Fernsehdirektor Jörg Schönenborn, beide aus dem WDR, werben intern offensiv für eine redaktionelle Linie, die sich darauf konzentriert, die »westlichen Positionen zu verteidigen«, hieß es aus der ARD gegenüber Telepolis.« Über das Eingeständnis nicht objektiv zu berichten gehen Sie im Forum zu Ihrem Beitrag hinweg, weigern sich aber RT-Redakteure kennen zu lernen! Wie ist es Ihnen dann möglich deren Arbeit zu beurteilen?

 

Markus Beckedahl:

 

Flo Osrainik: RT behauptet den fehlenden Teil zu senden. Die Vertreter westlicher Leitmedien sitzen in transatlantischen Organisationen, was gegen Unabhängigkeit, Objektivität und eine umfassende Berichterstattung über das Weltgeschehen spricht. Diesen Einwand im Forum ihres Beitrags ignorieren Sie. Warum gibt es einen fehlenden Teil oder sind Seiten wie netzpolitik überflüssig?

 

Markus Beckedahl:

 

Flo Osrainik: Die Berichterstattung von CNN zum Irakkrieg war linientreu und verlogen. Der Sender trägt eine Mitverantwortung am Tod von hunderttausenden Menschen – ohne Konsequenzen. Handelt es sich bei CNN nicht viel mehr um einen »Propaganda-Sender« und woher kommt die Unzufriedenheit der Menschen mit den Leitmedien?

 

Markus Beckedahl:

 

Flo Osrainik: In Russland gibt es, so wie in China, der Türkei, in Deutschland oder den USA, Missstände. Sie haben ein russisches Fernsehteam Ende Juli 2015 mit dem Verweis auf die Pressefreiheit in Russland rausgeschmissen und berufen sich auf die alles andere als unabhängige Organisation – der Milliardär George Soros zählt zu den Geldgebern – »Reporter ohne Grenzen«. Paul Sethe sprach, bezogen auf die Pressefreiheit, von der Freiheit 200 reicher Leute ihre Meinung zu publizieren. Schmeißen Sie auch amerikanische und deutsche Fernsehteams mit Verweis auf Edward Snowden raus oder hängen Sie, wie es Chris Hedges sagt, dem Mythos einer freien Presse an?

 

Markus Beckedahl:

 

Flo Osrainik: Sie schreiben von einem repressiven Regime in Russland. Edward Snowden, der aus vielen Verschwörungstheoretikern Rechthaber gemacht hat, musste aus den USA flüchten und erhielt in Russland – nicht in Deutschland – Asyl, weil er die Massenüberwachung der Geheimdienste publik machte. Julian Assange wird mit fadenscheinigen Anschuldigungen gejagt und Whistleblower Chelsea Manning sitzt im Gefängnis. Beide haben Verbrechen des US-Militärs enthüllt. In Guantanamo wird auf Verdacht gefoltert, die Polizei wird gegen das Volk hochgerüstet, Drohnen morden willkürlich rund um den Erdball, Länder werden völkerrechtswidrig niedergebombt und Regierungen nach belieben geputscht. Eine Studie der Universität von Princeton kommt zu dem Ergebnis, dass die USA eine Oligarchie sind. Sitzt in Washington auch ein repressives Regime und was hat Russland – dort gibt es zumindest keine Todesstrafe – zu bieten, um sich schlechter als die USA zu stellen?

 

Markus Beckedahl:

 

Flo Osrainik: Sie versuchen den Historiker Daniele Ganser zu diffamieren, indem Sie ihn wegen der Wahl »falscher« Gastgeber in eine Ecke mit Holocaust-Leugnern stellen wollen. Mit seiner Forschung setzen Sie sich erst gar nicht auseinander. Der inflationäre Vorwurf »Verschwörungstheorie« soll zu einem Prügel gegen unabhängige und unbequeme Recherche werden. Neben absurden Theorien über Verschwörungen gibt es auch nahliegende Theorien. Haben Sie ein Problem mit der Tatsache, dass es Verschwörungen, wie in der Kuba-Krise, der Watergate-Affäre, Gladio im Kalten Krieg, der Lüge über Massenvernichtungswaffen im Irak oder den NSA-Skandal, um einige bekannte zu nennen, gibt? Und wenn es sich dabei um keine Verschwörungen handeln soll, um was dann?

 

Markus Beckedahl:

 

Flo Osrainik: Sie schreiben, dass Sie noch nie für einen Krieg gestimmt haben, sind aber Mitglied bei den Grünen, einer Partei die Angriffskriege befürwortet und sich für eine korrupte und von Faschisten durchsetzte Regierung in der Ukraine einsetzt. Was hält Sie noch in dieser Partei?

 

Markus Beckedahl:

 

Flo Osrainik: Und vielen Dank für keine Antworten!

 

 

Mein Beitrag erschien bei NEOPresse.

 

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