Der ganz normale Wahnsinn

Auf Betreiben von Antifa-Aktivisten musste eine Vernissage kritischer Künstler abgesagt werden. Interview von Flo Osrainik mit Jill Sandjaja

 

Kunstfreiheit war gestern. An die Stelle offizieller Zensoren oder den Taliban vergleichbaren Sittenwächter sind mittlerweile „Antifaschisten“ getreten, die Kulturveranstalter gern beiseite nehmen und ihnen wohlwollend zuraunen, welche Schwurbler und Staatsfeinde sie da zu sich eingeladen haben. Die Internationale Agentur für Freiheit wollte in einer Berliner Location einen neuen Kunstkalender zum Thema Freiheit vorstellen. Gegen den wurde im Vorfeld eifrig gehetzt. Zum Eklat und zu einer martialischen Intervention der Polizei kam es aber erst, als die Künstler sich anschickten, ihre Werke von den Wänden abzuhängen. Dies wurde absurderweise als eine Art von Kunstraub geframt.

 

Flo Osrainik: Jill, am Sonntag, dem 10. Dezember 2023, sollte in Berlin eine Ausstellung der IAFF mit Werken kritischer Künstler stattfinden. Eigentlich ein gewöhnlicher Vorgang, auch weil Kunst grundsätzlich kritisch sein soll oder sein kann. Nun leben wir aber in ziemlich ungewöhnlichen Zeiten und die Vernissage wurde, na sagen wir, abrupt abgesagt oder besser gesagt verhindert. Kannst du dich und die IAFF zunächst kurz vorstellen und erzählen, was geschah.

 

Jill Sandjaja: Mein Name ist Jill Sandjaja. Ich bin seit über einem Jahrzehnt Musikerin und Künstlerin aus Berlin. Mit ein paar anderen Künstlern und Kunstliebhabern haben wir im September 2022 die erste internationale Ausstellung für Freiheit in der Berliner Musikbrauerei veranstaltet. Danach war schnell klar, dass wir solche Veranstaltungen weiterhin organisieren wollen. Wir gründeten vor knapp einem Jahr die IAFF, die Internationale Agentur für Freiheit.

 

Am 10. Dezember sollte die Vernissage für unseren neuen Kalender im Café Rix in Berlin stattfinden. Eine Stunde vor Beginn der Ausstellung teilte uns der Betreiber des Lokals mit, dass wir die Vernissage nicht wie vereinbart durchführen können und wir unsere aufgehängten Bilder in den kommenden Tagen abzuhängen hätten.

 

Ihm war angeblich nicht klar, um »welches Spektrum« und um welche Art von Kunstfreiheit es sich bei unserer Ausstellung handelt. Er habe nämlich eine völlig andere Auffassung von Freiheit und Demokratie als wir.

 

Michal Lezian und ich suchten das persönliche Gespräch mit dem Betreiber. Man sah ihm sein schlechtes Gewissen an. Außerdem fand er keine Antwort auf die Frage, was gegen uns und unsere Bilder sprechen würde. Er wollte uns auch nicht mitteilen, wer ihn unter Druck gesetzt hatte, obwohl wir genau wussten, dass ein paar Antifa-Schwurbler die Mitarbeiter im Café Rix am Vortag zur Rede gestellt hatten. Anscheinend gab es eine Absprache zwischen dem Heimathafen Neukölln, dem Bezirksamt Neukölln und dem Betreiber, um unsere Ausstellung zu verhindern.

 

Flo Osrainik: Was geschah dann, wie ging es weiter?

 

Jill Sandjaja: Der Betrieb im Café Rix wurde zunächst wie gewöhnlich fortgeführt, allerdings mit unseren Bildern an den Wänden. Wir setzten uns, bestellten Getränke und begrüßten unsere Gäste, die trotz der kurzfristigen Absage zahlreich erschienen sind. Nach etwas über einer Stunde haben wir uns dann einstimmig entschieden, unsere Kunstwerke abzuhängen und mitzunehmen. Einer Mitarbeiterin im Café Rix missfiel das allerdings und sie rief die Polizei mit der Begründung, dass hier 30 Leute Kunstwerke von den Wänden abhängen und mitnehmen würden. Der Betreiber war zu dieser Zeit schon weg. Dementsprechend stand nach fünf Minuten ein Polizei-Großaufgebot vor dem Café Rix.

 

Flo Osrainik: Wie bitte? Die Mitarbeiterin hat der Polizei den Eindruck vermittelt, dass eine Art Kunstraub stattfinden würde, obwohl ihr nur euer Eigentum mitnehmen wolltet! Wie hat die Polizei reagiert?

 

Jill Sandjaja: Nachdem das Großaufgebot der Polizei vor der Tür stand, hat Clement Loisel der Polizei die Bilder aus unserem Kalender präsentiert. Währenddessen sang Karsten Troyke „In diesen Zeiten würde ich gerne Flügel haben …“. Es war der ganz normale Wahnsinn einer abgesagten Vernissage in Neukölln.

 

Flo Osrainik: Wie hat die Polizei reagiert?

 

Jill Sandjaja: Die Polizei hat sehr gelassen reagiert. Sie hat den Sachverhalt aufgenommen, unsere Bilder unter die Lupe genommen und keine Straftat feststellen können. Die Polizei hat uns auch noch darauf hingewiesen, dass wir einen Schadensersatz einfordern könnten.

 

Flo Osrainik: Wie hat sich die Mitarbeiterin des Cafés verhalten, wie war die Stimmung unter den Gästen und war vom Betreiber noch etwas zu hören?

 

Jill Sandjaja: Die Mitarbeiterin, die ein rosa Oberteil trug, war die ganze Zeit ziemlich schlecht gelaunt und hat auch einem Gast mit Rausschmiss gedroht — warum auch immer. Ich habe nur noch gesehen, dass sie mit der Polizei geredet und eine Zigarette geraucht hat. Womöglich hat sie sich dann auch gedacht, dass es eine dumme Idee von ihr war, die Polizei zu rufen. Trotzdem hat sie ja behauptet, wir hätten die Gäste belästigt, als wir unsere Bilder mitnehmen wollten.

 

Wenn dann die Polizei mit einem Großaufgebot anrückt, ist das für die Gäste auch nicht gerade angenehm. Die Gäste konnten auch gar nicht glauben, was da gerade passiert.

 

Einige haben uns zu unserer Abhängaktion gratuliert, andere waren überrascht, interessiert und fühlten sich gar nicht gestört oder hatten eher Mitgefühl mit uns.

 

Vom Betreiber war ja nichts mehr zu sehen, wir haben auch nichts mehr von ihm gehört. Die Stimmung unter uns war aber gut. Was soll man auch machen? Weinen? Und Karsten Troyke sang doch so schön. Aber wir kennen es auch gar nicht anders. Selbst Polizisten können uns so schnell keinen Schrecken mehr einjagen. Vielleicht hat sich der ein oder andere Gast für das Café Rix an diesem Abend sogar fremdgeschämt.

 

Flo Osrainik: Gab es denn schon im Vorfeld der Vernissage Hinweise auf Störaktionen, Hetze oder Diffamierungen gegen euch und die Ausstellung, wie es ja mittlerweile und besonders in Berlin üblich ist, und habt ihr eine Ahnung, wer hinter der Störaktion steckt?

 

Jill Sandjaja: Da uns das Vorgehen der Antifa-Schwurbler schon bekannt ist, haben wir erst einen Tag vor unserer Ausstellung den Ort der Vernissage bekannt gegeben. Keine Stunde später lief dann das übliche Hetzprogramm in allen gängigen Antifa-Schwurbler-Kanälen. Vor allem auf X (ehemals Twitter) hat der »GoaGoaZwerg« mit einem taz-Artikel von Erik Peter versucht, gegen die IAFF Stimmung zu machen. Er forderte sein Gefolge auf, ins Café Rix zu gehen und mit den Mitarbeitern über uns zu sprechen. Irgendetwas ist also innerhalb kürzester Zeit, das heißt von Samstag auf Sonntag geschehen, was den Betreiber sehr geblendet haben muss, um seine Abmachung mit uns zu brechen und uns kurz vor Beginn der Vernissage abzusagen.

 

Flo Osrainik: Wie und wo kann man euch denn unterstützen?

 

Jill Sandjaja: Wenn man keinen Bock auf Staatskunst hat, kann man uns sehr gerne unterstützen. Man kann zum Beispiel Fördermitglied werden oder Ausstellungsräume an uns vermitteln. Außerdem haben wir noch einige Kalender und Künstlerkataloge, die man auf unserer Webseite iaff.pink bestellen kann.

 

Flo Osrainik: Jill, ich danke dir für das Gespräch und wünsche euch und uns viel Erfolg im Kampf gegen die Unkultur der sogenannten Cancel-Culture und ihrer ferngesteuerten Akteure.

 

 

Mein Beitrag erschien bei Manova.

 

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