Was zu viel ist, ist zu viel. 222 Millionen Euro Ablöse und ein Gehalt von rund 100.000 Euro am Tag für Neymar, der ja schon eine Yacht, Luxusautos, Immobilien, Diamantohrringe et cetera besitzt, sind zu viel, auch wenn er den Ball unendlich lange »danteln« oder schnell wie der Blitz damit rennen kann. So ungefähr meint das jedenfalls Uli Hoeneß, der sich mit dreistelligen Millionenbeträgen und Balldantlern auskennen sollte.
Dem Fußballer Javier Poves aus Spanien reichten im Jahr 2011, da war er 24, zehn Minuten Profifußball für Sporting Gijon in der Primera División, um sich angewidert vom »kapitalistischen Fußballsystem«, wie er damals sagte, abzuwenden. Einst spielte er, wie so viele, Fußball aus Liebe zum Spiel. Er kündigte seinen Vertrag, um Geschichte zu studieren, und soll kein Geld mehr von Sporting entgegengenommen haben. Das vom Klub zur Verfügung gestellte Auto gab er zurück, da es sich falsch anfühle, zwei Wagen zu haben.
Offensichtlich sieht das Investor Nasser Al-Khelaifi anders. Nicht auszuschließen, dass der katarische Präsident von Paris Saint-Germain in den Pariser Banlieus so wenig soziale Missstände erkennen würde wie Franz Beckenbauer in Katar Sklaven auf den WM-Baustellen. Vermutlich wusste der »Kaiser« damals nicht, dass Sklaven in Monarchien wie Katar keine Eisenketten mehr tragen. Auch müssen moderne Gladiatoren heute keinen Tod mehr fürchten, dürfen sich also nach Eintritt des Rentenalters mit spätestens Ende 30 den Kopf darüber zerbrechen, was ohne Geld mit der restlichen Lebenszeit anzufangen wäre.
Der Zusammenhalt der Sklaven, Lohnsklaven oder auch Arbeiter wurde schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterminiert, indem man die anfangs erfolgreichen Interessenvertretungen der Arbeiter zerschlug und etwa Werkklubs zu gründen begann, in Deutschland zum Beispiel bei Bayer, Wacker, Carl Zeiss, Volkswagen und Opel. International etwa bei Royal Arsenal (FC Arsenal), Lancashire and Yorkshire Railway (Manchester United), Philips (PSV Eindhoven), Pommery (Stade de Reims) oder Peugeot (FC Sochaux). Es gibt auch Werkteams in Asien (Urawa Red Diamonds, Sanfrecce Hiroshima), Südamerika oder Afrika. Diese Klubs sollen die Identifizierung mit einem Konzern sicherstellen, in Konkurrenz zu anderen Arbeitern.
Mit Propaganda, heute wegen der Begeisterung der Nazis dafür lieber Öffentlichkeitsarbeit (PR) genannt, wurden die Interessen der breiten Arbeiterschaft so verdreht, dass diese Wochenlöhne für Trikots der Junggladiatoren ausgibt und Logos ihrer Ausbeuter spazieren trägt.
Wen stört schon, dass ein Jungkicker im Schlaf mehr verdient, als mancher Baustellensklave fern von Heimat und Familie unter der glühend heißen Sonne Katars in seinem ganzen Arbeitsleben zusammenbuckeln könnte? Bleiben etwa die Ränge bei Spielen der ersten Ligen in Europa leer, die Regale in den Fanshops voll und die Fernsehgeräte aus? Nein. Wen juckt es also, dass Konzerne und Oligarchen die Hure Fußballverein als Kapitalgesellschaft auf den Strich schicken oder für ihre private Liebhaberei vergewaltigen?
Wer weiß, vielleicht kommen abgehängte Klubs eines Tages auf die Idee, eine Herz- statt Kommerzliga zu gründen, ohne Kapitalgesellschaften und Mäzene. Sponsoren würden Sponsoren bleiben, Budgetobergrenzen könnten für Spannung und soziale Bindung im Verein sorgen. Denn eines ist klar: Bevor Gehaltsexzesse und der Handel mit Kindern durch gierige Eltern und Berater im Fußball durch die korrupte FIFA oder die nicht minder von Lobbyismus zersetzte Politik verboten werden, gewinnt ein von Fans geführter Klub wie Austria Salzburg die Champions League.
Mein Beitrag erschien bei Junge Welt.
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