Wie kann man Putin stoppen? – Schwarz gegen Weiß mit Herrn Kasparov

Gari Kasparov war auf Einladung des Aspen Instituts, einer US-Denkfabrik, zu Besuch in Berlin. Im öffentlich-rechtlichen Deutschlandradio Kultur rüstet Kapsarov – mit freundlicher Hilfe des Moderators Ulrich Ziegler – im Interview für den nächsten Russlandfeldzug. Ginge es nach Kasparov, die NATO wäre wohl nicht an Russlands Grenzen, sondern bereits in den Spuren von Napoleon und Hitler, um sein Feindbild zu stürzen.

 

Ukraine wer ist hier der Aggressor?

Für Kasparov hat Europa die Ukraine gegen die »russische Aggression« komplett im Stich gelassen, die Russen eine »Invasion« auf der Krim durchgeführt und Putin gehöre nicht an den Verhandlungstisch, sondern vor ein internationales »Kriegstribunal«. Was Kasparov schon zu Beginn des Gesprächs ausblendet: der Maidan-Putsch gegen einen gewählten Präsidenten wurde mit fünf Milliarden US-Dollar, gebrochenen Vereinbarungen, Scharfschützen und Faschisten durchgeführt. Und zwar vom Westen. In der Folge entschieden sich die Bewohner der Krim für eine Sezession. Wenn Putin, wofür auch immer, vor ein Kriegstribunal gehören sollte, dann doch erst nachdem die Regierungen von Bush und Blair, von Obama und Holland, von Netanjahu und der Saud-Diktatur, mit deren Angriffskriegen der Weltfrieden noch eine ganze Weile Fantasie bleiben dürfte, vom gleichen Tribunal verurteilt wurden.

 

 

Verschiedene Welten

Die beiden Gesprächspartner sind sich einig, dass der Westen in den letzten Jahren »zu schwach« war. Für Kasparov feierten alle den »Sieg der freien Welt«. Kasparov: »Die Kräfte, die Mächte, die sich nun gegen die Modernität erheben, die sich gegen Demokratie erheben, die auch gegen die freie Welt kämpfen, die werden nun stärker.« Herr Kasparov, helfen Sie nach: wo genau wird die Polizei gegen das Volk auf und die Bürgerrechte abgerüstet, gegen Finanzdiktat und Kriegslobby demonstriert? Wer führt Lynchjustiz mit Drohnen durch, foltert in Geheimgefängnissen, überwacht Völker und deren Wirtschaften, putscht Demokratien und stützt willfährige Despoten in allen Winkeln dieser Erde?

 

Voll auf Konfrontation

Kasparov weiter: »Ich denke, der Westen und die anderen haben Putin häufig zu lange ignoriert und eben nicht auf Konfrontation gesetzt. Das heißt, eine Person wie Putin muss gestoppt werden. Die Ambitionen dieser Person müssen gestoppt werden.« Ziegler fragt: »Wie kann man Putin stoppen?« Kasparov fordert sich Putin mit »aller Macht« zu widersetzen, so wie man Assad schon früher – »mit Blick auf die Unterstützung militärischer Aktionen« – hätte bekämpfen sollen. Herr Kasparov, es geht um Menschenleben, nicht um schwarz-weiße Holzfiguren. Wer den Krieg zur Durchsetzung seiner Ideologie so vehement fordert, hat reichlich Gelegenheit sich bei westlichen Feldzügen an vorderster Front persönlich einzubringen. Kämpfen Sie doch Hand in Hand mit Faschisten, dem IS oder den Armeen der Golf-Monarchen gegen Separatisten, die syrische Armee oder die Huthi!

 

Oligarchen diktieren, Marionetten reagieren

Ja, wir befinden uns im Krieg. Und ja, es ist ein neuer Kalter – ginge es nach Kasparov wohl mehr ein heißer – Krieg. Aber spätestens jetzt hat sich der Schachweltmeister einen weiteren Titel, den eines Kriegstreibers, gesichert. Ob Putin oder Assad, beide haben die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Und ja, in Russland gibt es Oligarchen, wohl mit Einfluss auf die Politik, so wie in der Ukraine, in Deutschland oder in den USA. Die Studie »Testing Theories of American Politics: Elites, Interest Groups, and Average Citizens« der US-Universität Princeton kam zu dem Ergebnis, dass die USA von der Wirtschaftslobby sowie einer kleinen Zahl einflussreicher Amerikaner, in Russland abwertend Oligarchen, im Westen bewundernd Milliardäre genannt, regiert wird. Es handelt sich in beiden Fällen um Einzelpersonen mit zu viel Geld und Macht. Für Europa hat Oxfam zuletzt kritisiert: »Politische Entscheidungen werden immer stärker durch reiche Eliten beeinflusst, welche Regeln zu ihrem Vorteil gestalten und so die demokratischen Institutionen untergraben. Austeritätspolitiken und ungerechte Steuersysteme dienen überall in Europa den Mächtigen.«

 

Die nötige Entfernung

Für den ehemaligen Schachprofi geht Russland sein Nachbarland, die Ukraine, nichts an, wohl aber die Transatlantiker. Kasparov verlangt mit Blick auf die Ukraine: »Na klar brauchen sie Waffen, aber sie brauchen auch politische Solidarität. Es geht nicht nur um die militärische Versorgung, die ihnen helfen könnte, sich der russischen Putin-Aggression zu widersetzen.« Dann spricht er nebenbei noch für alle Ukrainer, so als gebe es keine Opposition, keine Separatisten: »Denn sie wollen mit Europa leben. Sie wollen nicht unter einem Putin-kontrollierten Land leben« und verwechselt in der Folge die reale NATO-Expansion vergangener Jahre mit einem unterstellten »Appetit von Putin« auf die baltischen Staaten. Putin könne erneut »verrückt« werden. Nicht Putin war in den vergangenen Jahrzehnten, wie seine letzet UN-Rede zeigt, verrückt. Verrückt ist vielmehr, wer die Welt als Schachspiel sieht!

 

Hat eben noch Kasparov für alle Ukrainer gesprochen, so spricht Moderator Ziegler gleich für die ganze Welt: »Wenn die Welt droht aus den Fugen zu geraten, dann blickt eigentlich die ganze Welt nochmal Richtung Weißes Haus, auf den amerikanischen Präsidenten, auf die Weltmacht.« Und so schaukeln sich die beiden im Studiomief gegenseitig hoch, als sei es selbstverständlich und bedürfe keiner demokratischen Legitimation durch die Weltgemeinschaft, dass die US-Armee den Weltpolizisten im Auftrag seiner Konzerne und Oligarchen spielt.

 

»Das heißt, die Konfrontation ist unvermeidbar«

Für Kasparov gehört Obama weg, »hat er doch schon genug Schaden angerichtet«. Nicht wegen der Drohnenmorde oder der Massenüberwachung, Obama sollte mehr wie George W. Bush sein, der immer Macht verwendet hat, wie im Irak.

 

Rückblick: die Welt wurde belogen (Verschwörung?), um einen Angriffskrieg zu beginnen. Kasparov bedauert, dass die USA Putin im Mittleren Osten Boden überlassen haben, als gäbe es ein natürliches Vorrecht der USA auf alles Land der Erde. Und Kasparov weiß was Putin will: »als russischer Diktator« überleben. Nur mit den Gegebenheiten in Syrien scheint der Neo-Kroate Kasparov etwas zu verwechseln, als er wieder von einer russischen Invasion, diesmal in Syrien, spricht. Russland hat in Syrien – so wie auf der Krim und im Gegensatz zur NATO – Militärbasen, ganz ohne Invasion, der Rest der Welt ist mit US-Stützpunkten gespickt.

 

Menschen oder Schachfiguren?

Mit Blick auf den US-Feldzug gegen Saddams Massenvernichtungswaffen und hunderttausenden Toten stellt Kasparov fest: »Wir können uns natürlich einige der falschen Züge der W. Bush Regierung anschauen. Aber als jemand, der in einem kommunistischen Land geboren und aufgewachsen ist, da kann ich natürlich nicht das kritisieren, was andere tun.« Heißt im Umkehrschluss: aus dem Westen kann niemand Putin kritisieren? Darauf muss man erstmal kommen!

 

Aber: »Selbst wenn man glaubt, dass diese Invasion damals ein Fehler war, ist es so, dass der Abzug der amerikanischen Truppen 2009/2010 ein deutlich größerer war. Denn im Schach macht man einen Fehler, aber man kann dann nicht mehr den Zug zurücknehmen. Nein, man muss mit dem weiterspielen, was auf dem Schachbrett steht«, so Kasparov. »Man kann natürlich sagen, klar, es gibt einen Weltpolizisten, obwohl wir nicht wollen, dass die USA die Rolle des Weltpolizisten wahrnimmt«, sagt Kasparov und fragt: »wenn es keine Polizei gibt, wenn es keine Kraft gibt, um die Regeln wieder auf den Tisch zu bringen, die eingehalten werden, was macht man dann?« Vorschlag: die Vereinten Nationen stärken!

 

Zweierlei Maß und Halbwahrheiten

Der in New York lebende Kasparov sagt, dass er die deutschen Zuhörer nicht täuschen möchte und erinnert daran, dass der Mord an Oppositionspolitiker Boris Nemzow noch immer nicht aufgeklärt wurde. Er zieht folgenden Vergleich: »Wenn Sie über die russische Opposition sprechen, dann ist das genauso, als ob Sie über die deutsche Opposition 1939 sprechen.« Ein Vergleich mit der Ukraine – weder der Westen, noch die Regierung Poroschenko klären die Todesschüsse auf dem Maidan oder die zahlreichen (Selbst-) Morde an ukrainischen Oppositionspolitikern auf – kommt für Kasparov und den Moderator nicht in Frage, stattdessen wird Russland mit Nazi-Deutschland gleichgestellt.

 

Zum Schluss ein bisschen Werbung

Am Ende noch etwas Werbung für das neue Buch von Kasparov. Auf der Titelseite erscheint der Republikaner John McCain, Befürworter diverser US-Angriffskriege, mit einem Zitat. »Wissen Sie, ich habe versucht, Unterstützung für dieses Buch zu bekommen, und zwar aus den unterschiedlichen Ecken. Und jetzt ergab es sich, dass John McCain der berühmteste davon ist«, erzählt Kasparov bevor er, ein Russland nach Putin herbeisehnend, in Frage stellt, dass es sich in Russland um eine Zivilisation handelt. Kasparov macht wenigstens kein Geheimnis daraus, wessen Interessen er vertritt.

 

Fazit

Voltaire sagte: »Der Offensivkrieg ist der Krieg eines Tyrannen; wer sich jedoch verteidigt, ist im Recht.« Herr Kasparov, spielen Sie wieder Schach, da gibt es tatsächlich nur Schwarz und Weiß und es fließt kein Blut!

 

 

Mein Beitrag erschien bei RT Deutsch.

 

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