In den von Israel besetzten Palästinensergebieten kommt es immer wieder zu Gewalt der Besatzungsmacht gegenüber palästinensischen Kindern. Letztes Jahr, letzten Monat oder letzte Woche.
Das bekannteste Beispiel – Journalisten waren zufällig vor Ort, weshalb die Bilder um die Welt gingen – die vier durch israelische Raketen getöteten Jungs an einem Strand von Gaza während der letzten Militäroperation im Israelisch-Palästinensischen Konflikt vor einem Jahr, der »Operation Protective Edge«. Die Zahl der zivilen Opfer lag nach Angaben der Vereinten Nationen vom 26. August 2014 auf israelischer Seite bei drei, bei den Palästinensern bei 1460 Toten, wovon 493 Kinder waren. Eine Ausnahme oder ein Versehen? Wohl weder noch! Mutwilliges Töten unschuldiger Zivilisten ist Terrorismus, sagt nicht nur Noam Chomsky, ob mit oder ohne Uniform.
Und es gibt zahlreiche weitere Beispiele: Am 21. Mai 2015 wurde der zehnjährige Yihya al-‘Amudi von einem israelischen Grenzpolizisten mit einer »Sponge grenade«, einer Art Gummigeschoss, ins Gesicht geschossen. Sein Vergehen? Er war auf dem Weg zum Kindergarten, um seine Schwester abzuholen und stand zur falschen Zeit am falschen Ort. Andere Kinder in seinem Alter versuchten Steine auf ein Grenzgebäude zu werfen, trafen die Polizisten darin aber nicht und rannten weg. Die Polizisten eröffneten die Jagd und Yihya verlor sein linkes Auge. Ein Passant brachte den Jungen in ein medizinisches Versorgungszentrum. Die israelische Menschenrechtsorganisation B´Tselem dokumentierte den Fall. Auf der Internetseite der Organisation ist das Video zu sehen, in dem der Junge getroffen zu Boden sinkt.
Die israelische Zeitung Haaretz berichtete, wie ein flüchtender Junge am 3. Juli 2015 von zwei durch den Stau gereizten Soldaten der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) – für das Werfen eines Steines auf ihren Wagen – aus nächster Nähe mit drei Kugeln von hinten hingerichtet wurde. Das Opfer: Mohamed Kosba, 17 Jahre alt und der dritte durch israelische Sicherheitskräfte getötet Junge von Sami Koba. Nachdem Mohamed sterbend das Blut aus Mund und Nase lief verschwanden die uniformierten Mörder in ihrem gepanzerten Jeep. Sie forderten keine ärztliche Hilfe für den Jungen an. Das Video über den Mord ist ebenfalls auf der Seite von B´Tselem – unter dem Titel »Video footage shows that Binyamin Brigade Commander shot and killed Muhammad ‚Ali-Kosba, 17, while the youth fled after throwing a stone« – zu finden.
Die Folgen für die Täter? Das Vorgehen wurde von hohen israelischen Stellen geduldet und von israelischen Politikern verteidigt sowie die Tötung durch eine angebliche Lebensgefahr der Soldaten, das Video und Augenzeugen widerlegen diese Gefahr, gerechtfertigt. Abgesehen davon, dass Palästina unter israelischer Besatzung leidet und der Junge bereits zwei seiner Brüder durch die Besatzer verlor, was ist da schon ein Steinwurf gegen einen Militärjeep mit bewaffneten Soldaten? Leichtsinn, viel Verzweiflung und eine Menge Wut!
Am 19. Juli 2015 veröffentlichte Human Rights Watch (HRW) unter dem Titel »Israel: Security Forces Abuse Palestinian Children« einen Bericht, demzufolge israelische Sicherheitskräfte palästinensische Kinder misshandelt, gewürgt, geschlagen und zu Geständnissen gezwungen haben sollen. So erzählt ein elfjähriger Junge mit dem Name Rashid, dass ein paar Kinder am 24. November 2014 Steine nach schwarz gekleideten Soldaten in einem Fahrzeug warfen. Die Soldaten kamen aus ihrem Wagen, um die Jagd zu eröffnen. Rashid war keiner der Steinwerfer, rannte aber aus Furcht davon. Er flüchtete zu einer Moschee und wurde von den Soldaten mit einer »sound bomb« am Bein getroffen. Die Soldaten nahmen den Jungen in den Schwitzkasten, drückten sein Gesicht zu Boden und haben ihm sein T-Shirt – bei zwölf Grad Außentemperatur – weggerissen. Der elfjährige urinierte sich vor Angst an. Er wurde stundenlang verhört, schikaniert und getreten. Rashid hat seitdem Albträume und wacht nachts schreiend auf.
Ein anderer Junge, Mohammed Khatib, wurde von der israelischen Polizei aus Verdacht an einer Bushaltestelle verhaftet und zu Boden gedrückt. Weder er noch andere anwesende Kinder haben Steine geworfen. Auf der Wache wurde Mohammed mehrere Stunden festgehalten, getreten, geschlagen und mit Haft gedroht. Am Ende des Verhörs musste der Junge etwas in hebräisch unterschreiben, was er nicht verstand. In dem Bericht von Human Rights Watch berichten noch weitere Kinder von Misshandlungen durch uniformierte Israelis.
Sarah Saadoun von HRW sagt, dass solche Praktiken internationalem und israelischem Recht widersprechen. Die Darstellungen und Aussagen der Kinder werden durch HRW vorliegende Videos bestätigt. Unter anderem wurden maskierte und schwerbewaffnete israelische Soldaten bei nächtlichen Razzien in palästinensischen Häusern gefilmt. In vielen Fällen werden die Verhaftungen unnötig gewalttätig durchgeführt, Angst und Schrecken verbreitet und Kinder geschlagen. Ihnen wurde das Recht auf einen Elternteil oder einen Anwalt beim Verhör verwehrt.
Die rechtsextreme israelische Regierung verteidigt sämtliche Handlungen – auch gegen Kinder – der eigenen Kräfte in den besetzten Gebieten. Internationale Reaktionen oder Sanktionen wegen dieser Verbrechen bleiben aus. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon beugte sich dem US-amerikanischen und israelischen Druck und nahm Israel von der Liste der Länder, die die Rechte von Kindern durch Kriegshandlungen verletzen.
Deutschland liefert Waffen an das israelische Besatzungsregime und die Leitmedien schweigen wie gewohnt über die Morde und Misshandlungen an palästinensischen Kindern. Wer das Foltern und Töten steinwerfender Kinder mit dem israelischen Recht auf Selbstverteidigung rechtfertigen möchte, sei daran erinnert, dass gleiches Recht auf Selbstverteidigung auch den Palästinensern zusteht. Der Unterschied ist nur, dass die Palästinenser weder eine vom Westen hochgerüstete Armee besitzen, noch die geringste Schuld am Holocaust tragen und die Palästinenser nicht Besatzer, sondern seit Jahrzehnten ein der Freiheit und Unabhängigkeit beraubtes und okkupiertes (muslimisches) Volk sind. Und da spielt es zunächst keine Rolle, ob der paramilitärische Arm aus ebenso radikalen Kräften besteht, solange es nicht zwei Staaten gibt. Ganz besonders aber gilt: es sind Kinder!
Heißt es doch im Talmud: »Verurteile niemand, bevor du in seiner Lage warst« und der Sohn eines jüdischen Bankers, Kurt Tucholsky, sagte über die Freiheit: »Wer die Freiheit nicht im Blut hat, wer nicht fühlt, was das ist: Freiheit – der wird sie nie erringen.« Die Kinder von Palästina mögen Tucholsky nicht gelesen haben, aber sie verstehen ihn, besser als die meisten uniformierten Israelis genannte Stelle aus dem Talmud. Und wer lernt schon aus der Vergangenheit?
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