Donbassdonner: Gregor Fernbach im Gespräch mit Flo Osrainik

Wo waren Sie letzten Frühling? In Russland, im Donbass. In der Volksrepublik Donezk, im Rücken der Front. Auf der russischen Seite. Nur auf der russischen Seite? Schon wird die Reiseunterhaltung explosiv, denn es herrscht Krieg. Im Osten Europas und in den Köpfen.

 

Die westlichen Medien berichten fast ausschließlich von der ukrainischen Seite. Aber stimmt alles, was uns erzählt wird? Findet eine Gegendarstellung überhaupt statt? Haben wir nicht gelernt: Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit? Um der Wahrheit auf den Grund zu gehen, begab sich Bestsellerautor Flo Osrainik auf eine Reise von München bis an die russische Front nach Donezk. In seinem Reisetagebuch schildert und bebildert er eindringlich die Eindrücke seiner Route: die Begegnungen mit Menschen, die rauen Landschaften, bewegende Schicksale – und den Tod. Ausgewählte Fotografien des Autors halten zentrale Momente der Reise visuell fest.

 

Nach einem früheren Engagement als Formel-Ford-Rennfahrer studierte der 1976 in München geborene und aufgewachsene Autor Wirtschaft und Journalismus. Seine journalistische Arbeit konzentriert sich auf globale und soziale Themen, die er regelmäßig für alternative und unabhängige Medien beleuchtet – darunter waren RT Deutsch, junge Welt, Telepolis, amerika21 und das Weblog NEOPresse. Osrainik ist bekannt für seine unbequemen Fragen und seine Haltung gegen den Mainstream – insbesondere, wenn es um die Befürwortung von Kriegen, die Duldung von Armut oder das Wegsehen bei gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten geht. Er ist ehrenamtlicher Redakteur und Vorstandsmitglied bei acTVism Munich. Als Autor veröffentlichte er mehrere Bücher zu gesellschaftskritischen und geopolitischen Themen, darunter »Im Namen der Russen: Tabulos gegen den Strich des Mainstreams« (2019), »Das Corona-Dossier: Unter falscher Flagge gegen Freiheit, Menschenrechte und Demokratie« (2021), »Lügen, Lügen, Lügen: Terror, Tyrannei und Weltenbrand als Neue Normalität der Globalisten« (2023) und »Donbassdonner: Ein Reisebericht von der anderen Seite der Geschichte« (2025).

 

 

Gregor Fernbach: Wer ist der Mann mit dem südslawisch klingenden Namen? Erzählen Sie uns bitte etwas über Ihren Hintergrund: Woher kommen Sie? Was bewegt Sie dazu, in eine der derzeit gefährlichsten – und im Westen besonders verrufenen – Regionen der Welt zu reisen? Suchen Sie einfach nur den Nervenkitzel, oder was sind Ihre tatsächlichen Beweggründe? 

 

Flo Osrainik: Ja, das stimmt, mein Nachname ist südslawisch und stammt aus der Gegend des heutigen Solweniens. Ich bin aber in München geboren und seit mehreren Jahren hauptsächlich in Zusammenarbeit mit unabhängigen und alternativen Medien als freier Publizist tätig. 

 

Die Möglichkeit, eine Reise über Moskau in den Donbass zu unternehmen, hat sich mir durch meinen befreundeten Kollegen Ilia Ryvkin ergeben. Er ist ein russischer Dramaturg, Journalist und Autor aus Berlin. Ich habe diese Gelegenheit dann wahrgenommen, um mir vor Ort ein Bild über den Unabhängigkeitskampf der Menschen im Donbass vom Kiewer Regime zu machen, dass durch einen von außen angezettelten Putsch an die Macht kam. Und ja, vor allem auch deshalb. Damit man sich Abseits der westlichen Propaganda um diesen Krieg ein anderes Bild zu den Ereignissen im Donbass machen kann. Der Nervenkitzel stand dabei nicht im Vordergrund.

 

Herr Osrainik, die 11. Ausgabe des Crisis-Journals hatte die weltweite Christenverfolgung zum Schwerpunktthema. Seit Beginn des Konflikts in der Ukraine steht auch die landesweit vertretene Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK) unter immensem Druck, wie uns Ilya Ryvkin in dieser Ausgabe schilderte: Die Regierung setzt Geheimdienste, Polizei, militante Schlägertrupps und Gerichte ein, um die Existenz der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche vollständig auszulöschen. Kirchen und Klöster werden beschlagnahmt, nationalistische Schläger dringen in Gotteshäuser ein, randalieren und schlagen Gläubige wie auch Priester brutal zusammen. Die  deutschen Mainstreammedien hingegen schweigen dazu – oder tun es als russische Propaganda ab. Haben Sie während Ihrer Reise im Donbass Hinweise auf dem Kampf gegen die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche erhalten? Gibt es andererseits im Donbass irgendeine Form von Verfolgung gläubiger Menschen?

 

 

Auch ich habe von diesen und ähnlichen Vorgängen gegen die Orthodoxe Kirche in der Ukraine gehört beziehungsweise gelesen. Allerdings habe ich auf unserer Reise davon nichts gesehen oder wahrgenommen. Das liegt aber schlicht und einfach daran, dass wir, also Ilia und unsere Kontakte vor Ort, lediglich auf der russischen Seite in der Volksrepublik Donezk unterwegs waren. Genauer gesagt sind wir nicht nur in Donezk und Umgebung gewesen, sondern auch in Switlodarsk, das unmittelbar hinter der Front bei Bachmut liegt und in Mariupol.

 

Wie uns bekannt ist, ist die Orthodoxe Kirche im Donbass durchaus sehr präsent. Haben Sie den Eindruck, dass die Orthodoxie zur Identität der Bevölkerung dort gehört bzw. diese identitätsstiftend ist?

 

Irgendwelche religiösen Belange hatte ich, um ehrlich zu sein, nicht im Blick. Es ging mir um die Stimmung der Menschen im Allgemeinen.

 

Nachdem wir die Volksrepublik Donezk von links nach rechts und andersrum bereist haben, kann ich nur meine grundsätzlichen Eindrücke aus dieser Region wiedergeben. Und diese Eindrücke sind zum einen, dass sich die deutliche Mehrheit der Menschen dort zumindest sichtbar von Kiew abgewendet hat. Das verwundert aber auch nicht wirklich, wenn man weiß, dass der russischstämmige oder russischsprachige Anteil im Südosten des Landes bei bis zu um die 90 Prozent liegt. Wie religiös die Menschen dort sind, das kann ich nicht beurteilen, allerdings habe ich in Donezk und Mariupol sehr wohl orthodoxe Kirchen wahrgenommen, die von außen auch alle – entweder immer noch oder schon wieder – in guten Zuständen gewesen sind. Jedenfalls habe ich das so in Erinnerung, denn die Reise ist mittlerweile 14 Monate her. Was ich in Hinblick auf die Stadtbilder aber sagen kann, ist, dass orthodoxe Kirchen mit ihren Monhäuptern, so nennt man das wohl, wie mir Ilia sagte, in Bezug auf die Religion sehr wohl prägend für die Gegend sind.

 

Sie erwähnten bereits, dass der Dramaturg und Journalist Ilya Ryvkin Sie auf Ihrer Reise durch den Donbass begleitete. In seinem bemerkenswerten Reisetagebuch Russendämmerung hielt er seine persönlichen Eindrücke aus den Volksrepubliken fest. Ryvkin, der keinen Hehl daraus macht, dass seine Ansichten hierzulande als eher patriotisch-konservativ gelten, gibt sich – wie er es einmal in einem Interview formulierte und wie es auch sein Buch bestätigt – nicht der Illusion hin, objektiv zu sein. Wie unterscheidet sich Ihr Blick auf den Donbass von jenem Ilya Ryvkins?

 

Ja, ich kenne die Russendämmerung von Ilia natürlich. Wir haben uns im Media Center in Moskau auch die Bühnenaufführung zu seinem Buch angesehen. In einer Rezession zu Donbassdonner schreibt er: »Obwohl wir aus unterschiedlichen politischen Biotopen stammen – ich ein hundert Jahre zu spät geborener Weißgardist, er mit Wurzeln im aufgeklärten Anarchismus – war sofort klar: Freiheit ist für uns beide kein Lifestyle, Souveränität keine Parole, sondern Überzeugung.«

 

Und genau das ist der Punkt, um den es nicht nur in der geplanten und gemachten globalen Corona-Krise oder auch im Donbass so wie bei vielen anderen Themen und Konflikten geht. Es geht um die Unterdrückung des Rechts auf Selbstbestimmung der Menschen als Individuen und in der Gruppe. Es geht um Heuchelei, vor allem aber um Grund- und Menschenrechte, die allen Menschen gleichermaßen und überall zustehen. Es geht also ganz wesentlich um Freiheit, Respekt und Toleranz vor anderen Ansichten, Lebensweisen oder Glaubensrichtungen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich jemand als religiös, gläubig, atheistisch, heimatverbunden, weltoffen, abschottend, sozial, liberal, konservativ, kritisch, naiv, links, rechts, schräg, quer oder weiß der Kuckuck was noch alles versteht, so lange man sich eben respektiert. Es wäre ja nicht nur erschreckend langweilig, wenn wir alle gleich wären, es wäre eine Katastrophe, weil wir dann viel mehr Maschinen als Menschen und die menschenfeindliche Ideologie des Transhumanismus Realität wäre. Wichtig ist im Grunde nur eines: Dass wir uns auf Augenhöhe begegnen und die Grund- und Menschenrechte für alle gelten. Dafür müssen wir geschlossen und entschlossen einstehen. Nur dann können wir friedlich und vereint in Vielfalt leben, uns gegenseitig bereichern, inspirieren und voneinander lernen. Und wer das nicht möchte, der kann sich in Ruhe zurückziehen. Das alles geht aber nur, wenn die Menschheit sich so gut wie jeder Fremdbestimmung entledigt, da sich Fremdbestimmung mit diesen elementaren Rechten nicht verträgt und vom Teilen und Herrschen lebt. Diese Vielfalt wird dann missbraucht, um die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen und gegeneinander aufzubringen. Und das klappt leider Gottes noch immer viel zu gut, wie ein täglicher Blick in die Welt beweist.

 

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft dieser Welt: 2023 erschien Ihr Buch »Lügen, Lügen, Lügen. Terror, Tyrannei und Weltenbrand als neue Normalität der Globalisten«. Sie schrieben damals: »Wir befinden uns an der letzten Haltestelle vor der Hölle.« Wo befinden wir uns, im Angesicht des israelisch-iranischen Krieges und der anderen nicht enden wollenden Konflikte nun, Flo Osrainik?

 

Der von Ihnen zitierte Satz stammt vom Klappentext des Buches und ist ausnahmsweise nicht von mir, sondern vom Verlag. Aber ja, der Krieg, den Israel gegen den Iran begonnen hat könnte uns allen die Hölle auf Erden in Form eines ausgewachsenen Dritten Weltkriegs bringen. In einem verkappten Dritten Weltkrieg befinden wir uns ja ohnehin schon und die Menschen in Gaza, aber auch in anderen Kriegs- und Krisengebieten erleben die Hölle auf Erden ohnehin schon jeden Tag. Es wird Zeit, diesen menschenverachtenden Wahnsinn der selbstgefälligen Psychopathen in den Chefsesseln der Regime und Institutionen endlich zu beenden. Dass im Übrigen so gut wie alles möglich ist, wenn man nur wollen würde, das hat Corona ja bewiesen. Und erst Recht, wenn sich die Massen endlich vereint erheben und ihr gemeinsamen Interesse für Frieden in Freiheit entdecken würden.

 

 

Der Beitrag erschien im CRISIS-Journal.

 

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