Lobbyismus und ein Schein von Demokratie

… denn schließlich legen wir fest, wer zur Wahl steht oder wählt unseretwegen, wen wir uns kaufen. Die erste Variante trifft wohl auf die nordamerikanische Politik, die zweite Variante eher auf die europäische Politik zu. Wir sind ein Prozent, ihr, das ist der Rest.

 

Der britische Politiker und Romanautor Benjamin Disraeli schrieb 1844: »Du siehst also, lieber Coningsby, dass die Welt von ganz anderen Personen regiert wird als diejenigen es sich vorstellen, die nicht hinter den Kulissen stehen.«

 

Mit dem Grundgedanken der Demokratie, der Herrschaft des Volkes, so gibt es der Duden wieder, wobei jeder Bürger eine Stimme und jede Stimme gleiches Gewicht hat, auch jene der Wirtschaftsvertreter, hat das nicht viel zu tun. Der Schriftsteller Ralf Burnicki sieht das mit der Demokratie so: »Sobald Demokratie sich wirklich ernst nähme und alle gleichviel zu sagen hätten, wäre das Anarchie.«

 

Lobbyismus hebelt dieses Prinzip der Gleichberechtigung aus und ist für die Entrechteten, für alle ohne Stimme, für Kinder, Tiere oder die Umwelt, auch wenn diese keine Drohkulisse mit irgendwelchen Arbeitsplätzen errichten können. Entweder regiert das Volk oder das Geld! Im Volksmund heißt es: »Geld regiert die Welt«.

 

Warum sich dieser Tatsache trotzdem so viele Leute im Volk verschließen und noch von Demokratie faseln, hat wohl mehr mit fein strukturierter Propaganda zu tun. Dass es so ist, wie es ist, zeigt das ferngesteuerte Konstrukt EU, einem Staatenbund mit 28 Mitgliedsländern – Europa besteht aus über 50 Ländern – im Umgang mit dem Willen europäischer Bürger, wenn es zum Beispiel um das sogenannte Freihandelsankommen TTIP oder dem, wie Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis sagte, seit 2010 bankrotten Griechenland geht. Aber damals waren ja noch die sozialdemokratischen und konservativen System-Parteien im Amt und jetzt, wo das Volk nicht mehr systemkonform wählt, da hat das griechische Volk – frei nach Bertold Brecht – das Vertrauen der europäischen Regierungen verscherzt und es wäre einfacher, die EU löste das Volk auf und wählte ein anderes.

 

Wie lässt sich das Hindernis der Demokratie, ohne die Kulisse mit Panzern einzureisen, also umgehen? Über das Geld. Noch besser: über die Herrschaft des Schuldgeldsystems. Denn: je mehr Geld, desto mehr Stimmen, je mehr Schuldner, desto mehr Macht. Demokratie und Kapitalismus, ein offensichtlicher Widerspruch!

 

Ohne auf das Thema der Geldschöpfung eingehen zu wollen, ein Bezug zur Herrschaft besteht gewiss, möchte ich Thomas Jefferson, immerhin dritter Präsident der Vereinigten Staaten und hauptsächlicher Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, dazu einen kurzen Einschub gewähren:

 

»Ich meine, dass Bankinstitute unsere Freiheiten stärker gefährden als stehende Armeen. Wenn das amerikanische Volk den Privatbanken jemals die Herausgabe ihres Geldes erlaubt, dann werden die Banken, zuerst durch Inflation, dann durch Deflation, den Menschen ihr gesamtes Eigentum rauben, bis ihre Kinder auf dem von ihren Vätern eroberten Kontinent obdachlos aufwachen. Das Recht der Geldschöpfung sollte den Banken genommen und dem Volk zurückgegeben werden, dem es ordnungsgemäss gehört.«

 

So zuletzt durch die Lehman-Pleite und US-Immobilienkrise, die zu einer noch immer bestehenden globalen Finanzkrise führten, geschehen und eindrucksvoll durch über 46 Millionen monatliche Bezieher von Essensmarken (Food Stamps), Stand März 2012, in den USA bestätigt.

 

Der Staat hat jedenfalls dem Allgemeininteresse und nicht dem Privatinteresse Einzelner zu dienen. Und der Politiker, als ein Volksvertreter auf bestimmte Zeit, hat nach seiner politischen Tätigkeit zurück ins Glied der Bürger, aus dem er kam, zu treten, ohne sich in seiner Amtszeit zu bereichern oder Vorteile zu verschaffen, denn das ist mindestens Amtsmissbrauch – im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Kurt Tucholsky wusste: »Politik kann man in diesem Lande definieren als die Durchsetzung wirtschaftlicher Zwecke mit Hilfe der Gesetzgebung.«

 

Gestern Abend, besser gesagt in der Nacht, lief ab 23.45 Uhr auf Phoenix die SWR-Dokumentation »Lobbyisten – Die stille Macht im Land« von Thomas Leif. Die Beschreibung der Dokumentation auf Phoenix:

 

»Der direkte Wechsel von Spitzenpolitikern in den Lobbyismus hat in den vergangenen Monaten immer wieder Schlagzeilen gemacht: Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel heuerte beim Rüstungskonzern Rheinmetall an; dem früheren Gesundheitsminister Daniel Bahr steht eine große Karriere im Allianzkonzern bevor. Der ehemalige Staatsminister Eckart von Klaeden ging vom Kanzleramt zur Daimler AG, sein Kollege Ronald Pofalla wechselt demnächst zur Deutschen Bahn AG. Sie – und viele prominente Vorgänger wie Gerhard Schröder oder Joschka Fischer – setzen nun ihr Kontaktnetz und ihr in der Politik erworbenes Know-how ein für die Interessen ihrer Auftraggeber. In Berlin sind 2180 Lobby-Verbände beim Deutschen Bundestag registriert, geschätzte 5.000 Lobbyisten gehen hier ihrem verschwiegenen Job nach. „Lobbyismus ist prinzipiell nicht öffentlichkeitsfähig“, sagt ein Spitzenlobbyist. Trotzdem gelingen SWR-Chefreporter Thomas Leif in seiner Dokumentation „Leif trifft: Lobbyisten“ überraschend tiefe Einblicke in eine abgeschottete Branche, die zeigen, wie und warum Lobbyismus in Berlin funktioniert. Zudem wird belegt, dass Politiker die Nähe zu Lobbyisten selbst suchen und sich von einer Partnerschaft mit Wirtschaftsvertretern Vorteile versprechen. Erstmals wird in der SWR-Dokumentation die von der Öffentlichkeit abgeschottete Arbeit der beiden großen Lobbyisten-Vereinigungen „Collegium“ und „Adler-Kreis“ dokumentiert. Die hier versammelten Vertreter der DAX-Konzerne treffen sich regelmäßig zu internen Beratungen mit Ministern, Ministerpräsidenten und Fraktionsvorsitzenden.«

 

 

Mein Beitrag erschien bei NEOPresse.

 

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