OXI, OXI, OXI – So dumm kann doch kein Volk sein!

Nicht nur, dass sich die linientreuen europäischen Politlobbyisten in Hasstiraden gegen Griechenlands Volk und Regierung, allen voran Frontmann Alexis Tsipras – obwohl dieser der Fortsetzung der Sparpolitik letztendlich doch noch so gut wie zustimmte, wofür er nicht gewählt wurde – überschlagen, nein, jetzt überbieten die Vertreter der Euro-Gruppe auch noch ihre eigenen Vorgaben zur Fortsetzung der seit sechs Jahren gescheiterten Sparpolitik deutlich, um die Demokratie, das griechische Volk und seine Regierung auszubluten. Aber es wird noch dümmer, noch bizarrer, noch radikaler.

 

Einstimmig wird von »zerstörtem Vertrauen« schwadroniert. Doch nicht etwa gegen die Besatzungsmacht USA, die einen ganzen Kontinent, seine Bürger, Regierungen und Wirtschaft massenhaft überwacht und dafür gegen den Willen breiter Bevölkerungsschichten in totalitärer Manier hinter verschlossenen Türen ein sogenanntes Freihandelsabkommen durchgesetzt bekommt, sondern gegen den am Ende, wie auch immer, auf Linie geprügelten Tsipras. Nur: das reicht den Vampiren aus der Euro-Gruppe plötzlich nicht mehr. Selbst den IWF ignoriert man vor lauter Angriffslust und die medial so oft geforderte Besteuerung griechischer Oligarchen spielt noch immer keine große Rolle.

 

Jeder weiß, was Bauernopfer und Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis und die Helfershelfer aus der Finanzbranche schon länger wussten: Griechenland ist seit Jahren pleite, kann die von den korrupten konservativen und sozialdemokratischen System-Parteien angehäuften Schulden nie zurückzahlen. Trotz Forderungen bekannter Ökonomen, wie Heiner Flassbeck oder Thomas Piketty und entgegen der Empfehlung des IWF: kein bisschen Schuldenschnitt. Sogar in den USA wächst die Sorge, dass die Europäer übergeordnete Interessen aus den Augen verlieren, denn seit 1980 bieten die griechischen Inseln die Startrampe für NATO-Einsätze in Nordafrika und im Mittleren Osten. Kommt noch der Pfiff aus Übersee?

 

Stattdessen werden die vom Volk gewählten griechischen Regierungsvertreter als »Extremisten«, wie von Manfred Weber, Vorsitzender der Konservativen Fraktion im EU-Parlament, ohne ein Bewusstsein dafür zu haben, wer tatsächlich (markt-) radikale und antidemokratische Positionen hinausbrüllt, beschimpft. Das Volk wählt nicht mehr linienkonform, schert aus, was erlaubt es sich? »Wir sind weder rechts noch links, wir sind unten und jagen die da oben«, war der Slogan der Proteste der spanischen Indignados im Sommer 2011, dem immer mehr europäische Bürger, nicht nur die Griechen, zustimmen dürften.

 

Deutsche Politiker faseln von Extremismus, lehnen sich gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland – an diesen Schulden hat die deutsche Wirtschaft und besonders Rüstung gut verdient – auf und üben sich in Bigotterie: geht es gegen Russland, so kann man einer korrupten, von Oligarchen und rechtsradikalen zersetzten und bankrotten ukrainischen Regierung Milliarden bedingungslos hinterherwerfen. Geht es darum die Milliardenverluste privater Banken, wie der Hypo Real Estate, auf die Allgemeinheit umzulegen, kein Problem, kein Aufbegehren. Aber wehe es rührt sich Widerstand gegen den neoliberalen Allmachtsanspruch, dann wird mobilisiert.

 

Deshalb an die (west-) deutsche Geschichtsvergessenheit: Im Londoner Schuldenabkommen von 1953 – Deutschland war pleite – wurde der jungen Bundesrepublik ein großer Teil der aus den beiden Weltkriegen entstandenen Schulden erlassen. Einfach so und mit Zustimmung Griechenlands. Man brauchte schließlich eine stabile Bundesrepublik an der Front – die USA führten in Korea Krieg – gegen den Ostblock, der beim Abkommen nicht vertreten war und dessen Forderungen auch nicht berücksichtigt wurden. Ein armes, ein schwaches Westdeutschland wäre ein zu leichtes Einfallstor gewesen. Nur aus diesem Grund wurde das sogenannte Wirtschaftswunder möglich. Aber Griechenland wird ein Schuldenschnitt – und nur mit einem Schuldenschnitt besteht eine reale Chance, dass sich das Land aus eigener Kraft erholt und seine Schulden zurückzahlt – eisern verwehrt und bei so viel Entschlossenheit setzt sich die deutsche Politik sogar die Pickelhaube wieder auf.

 

Hier die Entwicklung der deutschen Staatsschulden von 1950 bis 2013 in Zahlen.

 

Ein Referendum, ein demokratischer Akt schafft in der deutschen Politik, was jahrzehntelange Spionage nicht hinbekommt: die Zerstörung von Vertrauen in eine griechische Regierung der man wegen ihrer Wahlversprechen von vornherein nie vertrauen wollte. So dumm kann doch kein Volk sein!

 

Vielleicht lag Kurt Tucholsky richtig, dass das Volk zwar das meiste falsch versteht aber dennoch das meiste richtig fühlt und Albert Einstein irrte als er sagte: »Die Herrschaft der Dummen ist unüberwindlich, weil es so viele sind, und ihre Stimmen zählen genau wie unsere.«

 

Ein Auszug, inklusive sämtlicher Tippfehler, aus den ersten 25 Kommentare auf Spiegel-Online zum Artikel »Privatisierung in Griechenland: Seid erfunden, Milliarden« vom 13. Juli 2015:

 

»ecce homo heute, 19:17 Uhr: Ich will eine andere EU. Dieser Ausverkauf rettet weder Griechenland noch die EU. Privatisierung füllt kurzfristig die Kasse und schafft dann viele Probleme, die dann von den sowieso schon verarmten Bürgern gelöst werden müssen.«

 

»zack34 heute, 19:19 Uhr: Einen Staat zu zwingen, seine Infrastruktur zu VERKAUFEN ist quasi eine feindliche Übernahme durch die Hintertür. Die einzigen, die etwas davon haben, sind just die großen globalen Investoren, die sich z.Zt. die Häfen, Flughäfen, usw. zu Schleuderpreisen sichern können. Wie müssen sich nun die Bürger vorkommen, die beim Referendum mit Nein gestimmt haben? Unvorstellbar. Armes Griechenland.«

 

»schnelldenker heute, 19:21 Uhr: man kann doch nicht den staat aufloesen, um ihn zu retten. gehts noch?«

 

»grommeck heute, 19:21 Uhr: weiter mit dem Privatisierungsschwachsinn… damit einige wenige sich die Taschen füllen zulasten der Allgemeinheit….wie in unserem alternativlosem Land. Unsere Ex-FDJ’lerin kann wirklich nichts, außer den Banken und der Gierwirtschaft willens zu sein. Was für eine Niete!!«

 

»wolleh heute, 19:22 Uhr: Der Kompromiß erinnert mich an Versailles 1919. Die Privatisierung von Staatsvermögen ist der größte Unsinn. Sorry. Da sind nur Vollpfosten am Werken. Kein Wunder, dass die Welt nicht gerechter und friedlicher wird.«

 

»akkronym heute, 19:26 Uhr: Hirntote neoliberale Doktrin. Hirntot ist, von einem Schuldner zu verlangen seine besten Einnahmequellen zu veräussern und gleichzeitig die Begleichung seiner Ausstände zu fordern. Es ist die Ödnis, dei endloose Leere im Hirn der Neoliberalen, jedem der in NOt gerät noch eins drauf zu hauen. Es ist

 

die gierige armseelige Leere im Hirn und Herz der Neoliberalen. Daher auch ihre Doktrin jede Krise eines Staates/Systems zu nutzen um diesen/ dieses auszubeuten/zu unterdrücken/ zu unterjochen. ES ist die seelische Ödnis in ihren Hirnen und Herzen, die sie zu solch hirntoten Zynikern macht.«

 

»stauner heute, 19:26 Uhr: Treuhand? Na klar, wir haben ja mit der Treuhand beim privatisieren der DDR total gute Erfahrungen gemacht. Das MUSS ein gutes Modell für Griechenland sein… Das ist nicht einmal eine versteckte, das ist die offene Übernahme mit kalkuliertem Selbstbedienungsladen für Finanz-Haie.. Zum Schämen…«

 

»max.axlast heute, 19:26 Uhr:  Hab‘ ich das richtig verstanden? Analog zu einem Privathaushalt heißt das, erstmal Haus verkaufen, Auto verhökern, Frau auf den Strich schicken um dann bei der Sparkasse über einen Verbraucherkredit zu verhandeln. Wobei die Auszahlung nur 25 Prozent beträgt, weil der Rest gleich wieder bei der Bank bleibt. Da waren die beiden bedigungslosen Kapitulationen des Deutschen Reiches und die Spätkatastrophe Treuhand wirklich sonnige Zeiten.«

 

»ewsz heute, 19:28 Uhr: Märchenzauber … Märchenzauber hat wieder einmal über ökonomische Vernuft gesiegt. Dass in Griechenland niemand begreifen will, dass man heute viel besser dran wäre, wenn man vor 5 Jahren sauber aus dem Euro ausgetreten wäre, die Schulden zum grössten Teil beerdigt und mit einem ehrlichen Schnitt weitergelebt hätte. Die traurige Illusion des Euros.«

 

»wiebitte heute, 19:30 Uhr: Lieber SPON, könnt ihr vielleicht mal eine Liste der Kaufinteressenten recherchieren und veröffentlichen, dann wird doch klar in welchem Interesse hier Griechenland an die Wand gestellt wird. Bei uns wächst gerade die Einsicht, dass die Privatisierung von Infrastruktur und Energie/Wasserversorgung zurückgedreht gehört und wir zwingen die Griechen dazu? Klar, diesmal sind ja wir die Käufer und denen hat es nicht geschadet oder glaubt jemand, dass Fraport ein Entwicklungshilfeprojekt starten will? Wieso sollen die Griechen (potentiell) profitable Unternehmungen verkaufen, wenn Sie ein Einnahmenproblem haben? Da stimmt doch was nicht! Und um das zu sehen, muss man kein Wirtschaftswissenschaftler sein.«

 

»chatty1974 heute, 19:32 Uhr: so ein Blödsinn, das staatliche Unternehmen effizienter sind als staatliche. Entscheidend ist letztendlich die Produktivität der Mitarbeiter und kann schlecht oder gut sein egal wer der Eigentümer ist.«

 

»james-100 heute, 19:36 Uhr: Die Höhe der Privatisierungserlöse sind also nicht wichtig. Anders gesagt, die Griechen sollen die Staatsunternehmen und die Infrastruktur an die Reichen und den Hedgefonds verschenken. Sollte investiert werden müssen, muss das selbstredend der Staat für die privaten „Investoren“ übernehmen.«

 

»Bernie59 heute, 19:37 Uhr: Ich denke hier zeigt sich der wahre Charakter der EU. Ehrlich gesagt würde ich lieber wieder Geld an der Grenze tauschen. Mehr hat es dem „kleinen“ Mann doch eh nicht gebracht. Europa ist moralisch gescheitert. Meistens folgen danach Unruhen oder sogar Kriege. Was für eine Zukunft.«

 

»dee_jott heute, 19:38 Uhr: Cui bono? Hier wird ein Land verscheppert. Was da gerade passiert ist eines der Ziele der ganzen Aktion. Billig an rentable Infrastruktur kommen um weiter auspressen zu können. Erst die Griechen, irgendwann wir. Wahnsinn. Ich schliesse mich an: bitte recherchieren, was an wen geht.«

 

»slowboarder heute, 19:39 Uhr: Müsste man, wenn Griechenland seine Schulden langfristig abbezahlen soll, dafür sorgen, dass der Staat wieder Einnahmen erziehlen kann? Denn nur nur wenn Griechenland überschüsse erziehlt, kann es ja seine Schulden zurückbezahlen. Dh nicht Privatisierung wäre das Mittel der Wahl, sondern die Verstaatlichung profitabler Betriebe. Die Mitarbeiter übernimmt man natürlich gleich mit, denn wer unter privater Leitung profitabel arbeiten kann, dann diese auch unter staatlicher…«

 

»boba heute, 19:40 Uhr: klare kante. das treuhänderische verschachern griechischen staats- und damit volkseigentum zeigt in aller deutlichkeit, worum es den europäischen institutionen – allen voran schäubele und merkel – tatsächlich geht: aus der bereits ausgepressten zitrone soll auch noch das letzte bißchen werthaltigkeit herausgequetscht werden, um (einmal wieder: ›Mit der Hälfte der erhofften Einnahmen sollen die Kosten der Banken-Rekapitalisierung abgetragen werden.‹) die banken zu retten und deren gewinne zu sichern. diese neoliberale eu ist nur noch eines: widerwärtig!«

 

 

Mein Beitrag erschien bei NEOPresse.

 

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