Kurzum: Wirtschaft – Wachstum – Wahn

Die Wirtschaft soll wachsen – jedes Jahr und von Jahr zu Jahr. Wächst die Wirtschaft einer Nation, dann, so dass Dogma, mehrt sich der Wohlstand. Kritiker sind Ketzer. Die Erde ist aber keine Scheibe (mehr) und schwachsinniges verbessert das Leben (noch immer) nicht.

 

Zur Erinnerung: Grundsätzlich wurde der Mensch wirtschaftlich tätig, um seine Lebensumstände zu verbessern. Wirtschaftliche Aktivität war Mittel zum Zweck für ein Leben ohne Existenznöte. Der Mensch konnte sich weitestgehend selbst ernähren. Durch eine blinde und vernunftbefreite Ökonomisierung jeder Lebensader wurden Eigenversorger zunehmend Fremdversorger, abhängig von der Wirtschaft und ihrem zinsbedingten Wachstumswahn. Die Wirtschaft steht nicht mehr im Dienst des Menschen, sie beherrscht ihn, ist zur Religion vollkommen. Das Dogma: Wirtschaftswachstum oder die Gier endloser Gewinnmaximierung. Einen zufriedenstellenden Zustand gibt es nicht. Die neuen Feudalherren residieren in goldenen Tempeln, die geistigen Führer steuern aus Konzernkathedralen und die Vorbeter verkünden die Gebote über leitende Lehrstühle, Medien und Parteien. Anders gesagt: Ein Prozent herrscht über den Rest oder der Schwanz wackelt mit dem Hund. Aber: Grenzenloses Wachstum bringt nur der Krebs und der endet mit dem Tod. Zeigt doch jede globale Vermögensanalyse und schreien es alle Flüchtlinge, alle Hungertoten dieser Welt laut aus: Das System ist todkrank und ein Ketzer, wer wachsende Einsicht statt wachsender Ungleichheit fordert.

 

Ein Beispiel: Gemessen wird das Wirtschaftswachstum einer Nation mit dem Bruttoninlandsprodukt (BIP). Das gibt den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen an, die innerhalb eines Jahres in einer Volkswirtschaft hergestellt werden und dem Endverbraucher »dienen«. Egal, ob Waffen für kriegerische Auseinandersetzungen, benötigte Medikamente für Epidemien oder die Widerherstellung der Infrastruktur nach einer Katastrophe. Allgemein wird geglaubt, dass ein hohes BIP Ausdruck einer erfolgreichen Volkswirtschaft ist. Doch wie der Schriftsteller und Moralist Jean de la Bruyere sagte: »Das genaue Gegenteil, von dem, was allgemein geglaubt wird, ist meistens die Wahrheit.«

 

Denn: Das Bruttoinlandsprodukt ist ausschließlich rein ökonomisch quantitativ ausgerichtet und berücksichtigt keine ökologischen, kulturellen oder sozialen Kriterien. Das Wichtigste, der Wohlstand einer Volkswirtschaft, das Wohlergehen der Menschen wird im Bruttoinlandsprodukt nicht berücksichtigt. Alternativen zum BIP sind gefragt.

 

Die Vision: Man stelle sich vor die Menschen würden sich gesünder ernähren, sich mehr mit Bildung und dem freien Denken befassen, aus der Geschichte lernen und respektvoll mit sich und ihrer Umwelt umgehen. Werte ersetzten oberflächliches, der Frieden schlägt den Krieg und Geld vermehrt sich nicht mehr von selbst. Es wäre ein Verlust für Pharma-, Rüstungs- oder Finanzwirtschaft und ein enormer Gewinn für Mensch und Natur. Im Wachstumswahn wird das Irrlicht der Vollbeschäftigung hoch gehalten und als idealer Zustand erklärt. Die Schaffung irgendeines Arbeitsplatzes macht aber weder frei noch Sinn und das Existenzrecht eines Menschen ausschließlich von Lohnarbeit und Almosen abhängig zu machen kommt aus dem letzten Jahrtausend. Sollten Wissenschaft und Technik, die Maschine den Mensch nicht viel mehr von Last und Leid befreien? Die Gemeinschaft könnte durchaus eine sinnvolle Wirtschaftsordnung ermöglichen in der Kreativität, Werte und Muße, letztlich der einzelne Mensch, im Mittelpunkt steht und die Wirtschaft wieder eine untergeordnete und dienende Funktion für alle einnimmt. Das Diktat der Wirtschaft ist kein Naturgesetz. Es geht darum weniger zu brauchen und mehr zu geben. Oder, um es mit den Worten des Ökonomen und Wirtschaftsethikers Peter Ulrich zu sagen, um »eine Kultur des Genug-haben-Könnens.«

 

 

Mein Beitrag erschien bei NEOPresse und Traffic.

 

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