Besuch aus Holland: Neulich in München

Nichts geht mehr an diesem Mittag im Zentrum der königlich bayrischen Landeshauptstadt – rund um den Promenaden-, Maximilians-, Lenbach-, und Karlsplatz – voran. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint, die Ampeln sind grün, rot, wieder grün und trotzdem steht alles still. Die Polizei sperrt den Verkehr. Kein vor, kein zurück, kein Entkommen. Sie müssen zum Zug? Ihr Flug geht? Haben Sie einen Termin? Die Kinder warten vor der Schule? Pech.

 

So geht es noch eine ganze Weile und schon den ganzen Tag, quer durch die Stadt. Aber nicht nur auf den Straßen tauchen spontan Polizeischikanen auf, auch in der Fußgängerzone. Vom Viktualienmarkt zum Marienplatz ist es ein Katzensprung, heute Abend gibt es kein Durchkommen. Dann heißt es: Gesperrt, dumm gelaufen, falsch gelaufen. Sicherheitspersonal macht sich wichtig. Schwarze Limousinen, Blaulicht, Blitzlicht und großes Trara, den ganzen Tag. Was ist passiert?

 

Volksvieh, Viehvolk oder volksnah?

Nichts ist passiert. München hat Besuch aus Holland und alles strahlt, jubelt und steht Spalier oder still, so wie der rausgeputzte Knabenchor in Lederhosen vor der Residenz, oder hat auf Geheiß gefälligst zu strahlen, zu jubeln oder Spalier und still zu stehen. Manche lassen sich, wie am Viktualienmarkt, hinter Gitter drücken, um das Gästepaar, wo auch immer sie auftauchen, zu hören, zu sehen, zu berühren.

 

Willem-Alexander und Máxima, die Besucher aus den Niederlanden – so oder so ähnlich heißt das Paar mit Nachnamen – müssen beachtliches geleistet haben, um sich so einen Empfang, so eine Ehrerbietung zu verdienen – könnte man meinen. Egal, danach fragt hier keiner. Hauptsache ein bisschen Gaffen und Spektakel. Frei nach Georg Christoph Lichtenberg, deutscher Aphorist, gehört zum Ruhm der berühmtesten Menschen eben auch immer etwas Blödsinnigkeit der Bewunderer. Und für Albert Einstein muss man, um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, vor allem ein Schaf sein.

 

So wundert es auch nicht, dass es Gäste, Flüchtlinge und Gäste gibt. Wie die 6,6 Millionen Gäste die München letztes Jahr besucht haben und möglichst viel Geld mitbringen sollten. So wie die Kriegs- und Krisenflüchtlinge, die möglichst fern bleiben oder möglichst schnell weiterreisen müssen und Gäste, so wie das holländische Paar, die zwar möglichst viel Geld haben, aber möglichst nichts davon mitbringen brauchen.

 

»Die Kosten zu Polizeieinsätzen werden grundsätzlich nicht erhoben«, teilt die bayerische Polizei mit. Nach dem Polizeiaufgabengesetz ist die Abwehr von Gefahren »für öffentliche Rechtsgüter« sicherzustellen. Daraus ergibt sich: das holländische Besucherpaar ist zu betreuen, inklusive Motorradstaffeln, Polizeikonvois, Blockaden und was da sonst noch so an Brimborium anfällt. Spesen unklar. Spielt auch keine Rolle, bei dem Wetter und den Gästen. Eine Wirtschaftsdelegation haben die Holländer auch mitgebracht. Oder war es andersherum? Jedenfalls hat die Allianz Arena vor Freude in orange geleuchtet, wie der FC Bayern auf seiner Internetseite stolz mitteilt.

 

Der Boulevard war berauscht

»Willem-Alexander und Máxima verzaubern München«, titelte die SZ, ähnlich die Augsburger-Allgemeine. Die BUNTE bestätigt, dass Máxima das »royale Winken« wie keine Zweite beherrscht. Und die Münchner tz: »Wow! Hier steigt Máxima aus einem Hightech-Auto«. Dieser fantastische Vorgang ereignete sich in der BMW-Welt, die stand im Rahmen des Ausflugs nach München auf dem Wunschzettel des holländischen Paares. Grund für die niederländische »Wirtschaftsdelegation um Ministerin Liliana Ploumen« den Wunsch zu befolgen, bestätigt BMW.

 

Offiziell handelte es sich um einen Arbeitsbesuch zur Stärkung der Beziehung zwischen Bayern und den Niederlande. Der FC Bayern erklärt – stellvertretend für die Stadt, einfach alle – was man unter einem »Arbeitsbesuch in Bayern« versteht: »Das royale Paar besichtigt in München und Nürnberg Museen, eröffnet eine Ausstellung und pflegt Beziehungen. 
Gerne hätten Willem-Alexander und Máxima auch den FC Bayern beehrt.« Ob Leo Tolstoi an diese Art von Arbeit dachte, als er meinte: »Wenn ihr behauptet, alle müssten arbeiten, dann sollen es mir alle diese Reichen, die nichts tun, erst einmal vormachen«? Willem-Alexander regiert die Niederlande schon seit 2013, schreibt das Stadtportal muenchen.de. Internet und Mittelalter, geht doch.

 

Das Programm

Die erste Station der Arbeitsreise ging in die Alte Pinakothek, dort hat man ein Faible für Feudalismus. Nach Auskunft der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen war es übrigens nicht der erste Besuch aus einem Königshaus: »Königin Margrethe von Dänemark war schon da, Silvia von Schweden, Prinz Albert von Monaco sowie Großbritanniens Prinz Charles«, schrieb die SZ. Und weiter: »Bekannt ist inzwischen auch, vor welchen Gemälden das Königspaar länger stehen blieb: unter anderem vor dem berühmten Selbstbildnis Albrecht Dürers sowie vor Leonardo da Vincis Madonna mit der Nelke. Außerdem eröffneten Willem-Alexander und Máxima den renovierten Holländer Saal – alles andere hätte auch verwundert«. Liest und hört man den bayerischen Boulevard, so kann man sich als aufgeklärter Münchner leicht integrationsunwillig vorkommen. Ob es am königlichen Demokratieverständnis der untertänigen Bayern liegt?

 

Hofberichterstattung in bayerischer Gemütlichkeit

Auf dem Programm stand – neben Besuchen der BMW-Welt und der Alten Pinakothek – noch eine Visite im Deutschen Theater, über den Viktualienmarkt schlendern, sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen und nicht zu vergessen: gemeinsames Mittagessen mit Horst Seehofer in der Residenz.

 

Dem Ministerpräsidenten schien das gemeinsame Bad in der Menge zu gefallen. »Kein Wunder – wer sonnt sich nicht gern im Glanz des niederländischen Königspaars«, kehren sich die »Journalisten« der SZ aus. Und weil es sich so gut liest:»Was Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) dem königlichen Besuch da auftischt, sorgt ganz offensichtlich für Staunen: So sieht also ein Snack auf bayerisch aus?« und »Am Abend flanierte das Königspaar gemeinsam mit Oberbürgermeister Dieter reiter und dessen Frau Petra über den Marienplatz. Das Kleid hat Königin Máxima gewechselt, das Lächeln fürs Volk sitzt.« Kein Werbetext, die Panama-SZ im Original. Ansichtssache Journalismus.

 

Ob die Holländer den weiten Weg aus den Niederlande geflogen sind oder die Bahn genommen haben? Vielleicht sind sie sogar mit dem Auto angereist, womöglich selbst gefahren? Na hoffentlich standen sie nicht im Stau und haben einen wichtigen Termin verpasst oder gar eine ganze Stadt auf sich warten lassen, nur weil, …, ach egal. Manche Menschen gelten eben nur deshalb etwas in dieser Welt, weil ihre Fehler die Fehler der Gesellschaft sind, hat zumindest der Schriftsteller Francois de La Rochefoucauld gemeint.

 

 

Mein Beitrag erschien bei scharf-links.

 

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